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Gedanken zum Life Ball Plakat

Dass mir das aktuelle Life Ball Plakat von David LaChapelle mit der wunderschönen Carmen Carrera ausgesprochen gut gefällt liegt auf der Hand, dass es öffentliche Empörung und Diskussionen entfachen würde war ebenso klar und sicher auch beabsichtigt.

 

Dennoch enttäuscht es mich einigermaßen, auf welchem Niveau die Diskussionen geführt werden. Da rühmen wir uns gegenüber den Islamischen Gesellschaften immer unserer aufgeklärten Denkweise und dann wird wieder einmal die Entwicklung der Kinder als Killerargument in die Waagschale geworfen.

 

 
Die Online Petition an die Life Ball Sponsoren, ihr Unterstützung für die Veranstaltung im Interesse der Kinder zurückzuziehen hat in den ersten 3 Tagen über 12.000 Unterzeichner gefunden. [ http://citizengo.org/de/7189-life-ball-sponsoren-zur-verantwortung-ziehen ]

 

 
Ja, wir leben also doch noch im Mittelalter. Die Kinder werden meistens vorgeschoben wenn die Argumente fehlen.
Gerade Kinder haben noch einen offenen und freien Zugang so lange sie noch nicht in die vermeintlichen gesellschaftlichen Zwänge gepresst werden.

 

Ich finde das Plakat übrigens sehr ästhetisch. Ich habe selbst keine kleinen Kinder mehr, wüsste aber in jeder Altersstufe sehr genau, welche Antwort ich gegeben hätte, falls mich mein Sohne seinerzeit darauf angesprochen hätte.

 

 
In einigen Diskussionen auf Facebook habe ich (von meinem männlichen Profil aus) bereits meine Meinung dazu klar gestellt:
Mir ist klar, dass die meisten, die beim Anblick der bekleideten Carmen Carrera reflexartig an Fortpflanzung denken vom Nacktplakat logischerweise verstört werden.

 

Wer mit offenen Augen und offener Seele durch die Welt geht wird das Plakat und seine Aussage auch als schön und gelungen erkennen, wer mit dem offenen Hosentürl im Kopf herumläuft natürlich nicht.
Leider sind die letzteren in unserer Gesellschaft in der Überzahl.

 

 
Es würde mich auch nicht im geringsten wundern, wenn unter den Plakatbeschmierern und Petitionsunterzeichnern einige drunter sind, die jetzt euphorisch mit der Masse mitjubeln, dass Conchita Wurst den Song Contest "für uns" gewonnen hat.

 

 
Ich gehe aber noch weiter und möchte aber an dieser Stelle noch eine weitere Lanze FÜR dieses Plakat brechen. Wenn man Frau Carrera's Statement auf der offiziellen Life Ball Seite liest wird klar, dass es hier nicht nur um Toleranz gegenüber Randgruppen sondern um Respekt gegenüber der individuellen Persönlichkeit im Allgemeinen geht:

 

"[...] Schönheit hat kein Geschlecht. Am Ende des Tages ist Schönheit einfach nur Schönheit“" (im englischen Original kling es noch schlüssiger!)
 

 

 
In einer Gesellschaft, in der "du siehst geil aus" als Kompliment verstanden wird, obwohl die äußere Erscheinung nichts über die momentane Lustbefindlichkeit eines Menschen aussagt (richtigerweise müsste es heißen "ICH werde geil wenn ich dich sehe") wird die einzelne Person je nach ihrer Attraktivität von vornherein zum Lustobjekt für die anderen degradiert, ganz egal welcher Mensch bzw. welche Seele tatsächlich in der Hülle steckt. Das betrifft durchaus auch Frauen (und Männer), die dem gesellschaftlich akzeptierten Rollenbild entsprechen. Dieses Verhalten ist als Norm derart anerkannt, dass es auch die Betroffenen und solcherart Beleidigten als selbstverständlich akzeptieren!

 

 
Das Plakat von David LaChapelle zeigt einen Garten Eden, in dem die Rolle, in der das Individuum durchs Leben gehen will um sich selbst am besten gerecht zu werden einfach akzeptiert und nicht hinterfragt wird.

 

In der Realität gibt es Rollenbilder, die gesellschaftlich anerkannt sind und solche, die abgelehnt werden, weil sie die klassischen Abhängigkeitsmuster gefährden.
Ein Mann der sich als "ich bin ein harter Hund" oder "Ich bin ein egoistischer Macho" definiert wird als solcher wahrgenommen ohne dass sich irgendjemand dadurch brüskiert fühlt. Man bildet sich seine Meinung dazu, kann auch durchaus sagen "Du bist ein oberflächliches selbstherrliches A****loch", aber niemand käme auf die Idee dass seine Kinder durch dessen schlechtes Vorbild in ihrer Entwicklung gestört werden könnten.

 

 
Für mich ist der einzige Wermutstropfen an der Kampagne das Life Ball Motto "Garten der Lüste", das alles leider von Haus aus in eine Ecke drängt.
 
Soweit meine bescheiden Meinung zu diesem Thema.

 

Ich würde mich freuen, wenn dazu einige Kommentare kämen und wir damit ein Bisschen Leben in den Blog bringen könnten.
 
Dickes Bussi an alle!
Eure Judy

 

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Kommentare: 24
  • #1

    Sandra (Sonntag, 18 Mai 2014 17:09)

    Hallo Judy, ein schöner Artikel. Ich habe das Plakat erst vor ein paar Tagen das erste Mal gesehen und blieb sofort stehen als ich es sah. Absolut ästhetisch und überhaupt kein Grund sich darüber aufzuregen. O Gott ein Penis und Brüste, huiii!

    Aber was passiert? Die (ja ich weiß, überflüssige, aber dennoch (leider) 100.000nde U-Bahn Fahrer ansprechende) Zeitung HEUTE tituliert: "Ich besprühe die Plakate" und berichtet ohne jegliche Nennung der Sachbeschädigung (!) fast schon begeistert über die achso mutige Tat.

    Wahrscheinlich sind die die sich darüber aufregen die selben Menschen die zu Hause ihre Kinder missbrauchen.

  • #2

    Chloé (Montag, 19 Mai 2014 01:09)

    Hach, zunächst einmal freu ich mich das der Blog so wunderbar zu leben beginnt. Eine feine Sache diese gescheiten Beiträge zu lesen.

    Doch nun zum Plakat. Ich finde es wunderschön und es erinnert mich sehr an die Bilder vom Hutter. Als ich jedoch heute mit meinem Hund spazieren ging musste ich jedoch feststellen, dass jedes Plakat übersprüht und zerstört war. Um den Eindruck noch zu verfestigen wurde ich dann noch von drei aufrechten jung Bahnern als "Schwule Sau " tituliert. Ich erwähne dies nur desshalb, weil ich glaube, dass der durchaus erfreulich Cochita Hype in den österreichischen Niederungen noch lange nicht angekommen ist. Die mir nich gerade sympathischen Konterfeis unser mehr als zweifalhaften Politiker mit ihren äußerst zweifelhaften Aussagen erstrahlen jedoch in aller Frische.

    Sehr gefreut hat mich, dass mein Sohn sich ganz offen zu dem Plakat bekannt hat und damit auch Stellung bezog. Unter anderem hat er auch den folgenden Text gepostet:

    Aufreger Life-Ball-Plakat: Eine sachliche und klare Darstellung des Istzustandes durch die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien:
    Aus rechtlicher Sicht – Wiener Jugendschutzgesetz:
    • Das Life-Ball Plakat stellt keine Gefährdung im Sinne des § 10 Abs 1 Wiener Jugendschutzgesetzes dar.
    • Es stellt keine Diskriminierung eines Geschlechtes dar (§ 10 Abs 1 Z 2)
    • Es handelt sich auch nicht um „eine Darstellung einer die Menschenwürde missachtenden Sexualität“ (§ 10 Abs 1 Zi 3).
    • Es handelt sich auch nicht um eine pornografische Darstellung
    Das Plakat ist
    • Von seiner Art als ästhetisches Plakat, ähnlich einem Gemälde zu sehen.
    • Die Geschlechtsmerkmale stehen nicht im Vordergrund des Bildes. Der Betrachter muss gezielt das Plakat in Augenschein nehmen.
    Aus psychologischer/pädagogischer Sicht:
    • Kleinen Kindern fällt das Plakat nicht auf
    • Das Plakat löst keine Traumata bei Kindern aus, höchstens Verwirrung
    • Kindern ist dieses Plakat durch deren Eltern zu erklären – ähnlich wie die Kunstfigur Conchita Wurst (Frau mit Bart)
    • Jugendliche sind durch die Darstellung im Plakat nicht gefährdet
    Reaktion der BeschwerdeführerInnen:
    Aus den zahlreichen Gesprächen mit besorgten Menschen ist festzuhalten, dass der Verdacht besteht, dass viele dieser Personen:
    • selbst mit dem Plakat nicht zurechtkommen
    • daher den Jugendschutz als Vorwand formulieren
    • völlig uninformiert sind über die verschieden Formen der Sexualidentitäten (viele kannten z.B. die Identität der Hermaphroditen nicht )
    • religiöse Motive anführen für die Beschwerde
    • der Meinung sind, solche Identitäten gehören verborgen, weil unnatürlich
    • scheinbar überfordert sind im Gespräch mit ihren Kindern
    Erkenntnis:
    Wir sollten uns verstärkt darum bemühen, Eltern, Erziehungsberechtigten etc. bei der Sexualaufklärung auch in diesem Zusammenhang verstärkt zu unterstützen, indem sie selbst genügend Informationen erhalten.
    Dr. Anton Schmid
    Kinder- und Jugendanwalt Wien

    Es drückt und küsst Euch
    Eure Chloé


  • #3

    Judy (Montag, 19 Mai 2014 01:19)

    Ja, ja... die sogenannte "Zeitung", die angeblich von Bundeskanzlers Gnaden lebt und trotzdem täglich Herrn Kickls Gedankengut ungeniert unter tausenden U-Bahnpassagieren verbreitet.
    Was will man sich von der schon anderes erwarten.
    Ich komme selten mit diesem bedruckten Klopapier in Berührung, nehme aber stark an, dass die auch lautstark triumphiert haben dass "wir" den Song Contest gewonnen haben.
    *würg*

  • #4

    Judy (Montag, 19 Mai 2014 01:25)

    Hört, hört!
    Dr. Schmid bitte vor den Vorhang.
    Meine Empfehlung an alle überforderten Eltern:
    Erklärt Euren Kindern das Plakat auf die gleiche Weise, wie ihr ihnen erklärt, dass aus der Nachbarwohnung jedes Mal unangenehme laute Geräusche kommen wenn der Nachbar angesoffen nach Hause kommt und warum die Nachbarin am nächsten Morgen mit Sonnenbrille das Haus verlässt.
    Das könnt ihr ja auch, weil das ist ja "normal"

    *schnaub*

  • #5

    Sandra (Montag, 19 Mai 2014 10:48)

    Genau meine Meinung, Volltreffer. "Mein" gesehenes Plakat ist übrigens runtergerissen worden, erstaunlicherweise wurde es sogar komplett entfernt und lag nicht irgendwo am Boden herum. Die besagte Zeitung schreibt heute stolz dass sogar 10 "Wutsprayer" mit Ihrer Anführerin Nacht für Nacht in Wien unterwegs ist...

    Das Problem ist: Den Song Contest gewinnen wollen wir, und haben wir auch. Leider steht hier aber das "Gewinnen" im Vordergrund, vor allem in den Niederungen, und nicht warum und wieso. Traurig.

  • #6

    Chloé (Montag, 19 Mai 2014 15:46)

    Ich finde es ja sehr bemerkenswert, das zu Sachbeschädigung, einem kriminellen Vorgehen ungestraft in einer Tageszeitung (eigentlich sollte man es Schandblatt nennen) aufgerufen werden kann. Das zeigt schon sehr deutlich wie weit es mit der Toleranz bei uns steht. Auch was ein bekannter Kolumnist in der größten Tageszeitung so verzapft verursacht ein Gruseln. Leider bin ich überzeugt dass sehr viele Leser sich damit ihn Ihrer verzopften Ansicht bestätigt fühlen.

    Ich hatte gehofft, dass im Wurstschatten sich doch einiges verbessert, aber leider blühen die agressiven Exzesse besser denn je. Leider ist Österreich alles andere als ein aufgeklärtes, fortschrittliches Land sondern eher genau das Gegenteil. Ich habe mich über den Sieg von Conchita wirklich gefreut und finde auch Ihre Statements zum Thema ausgesprochen gut. Ihr ganzes Auftreten ist eigentlich vorbildlich. Das paradoxe daran ist nur, dass unter dieser Tuchent der üble ultrakonservative und homophobe Morast ungehindert fröhliche Urständ feiert, während sich das offizielle Österreich als Mekka der Toleranz geriert.

    Ich bekomme dabei ein wenig Angst, muss ich ehrlich zugeben und die anfängliche Euphorie weicht einer zunehmenden Beklemmung.

    Darum Mädels, laßt uns aufrecht stöckeln und voll Mut, Hand in Hand den Engherzigen gegenüber treten.

  • #7

    Judy (Montag, 19 Mai 2014 20:23)

    Ja, es ist sehr schade, weil das Plakat wirklich schön ist.
    Aber Sachbeschädigung an Plakaten ist leider nur ein moralisches Delikt - wird ja auch bei anderen Plakaten nicht geahndet.
    Mir tut es mehr weh, dass ja mit jeder Beschädigung eigentlich Carmen Carrera verletzt wird und damit alle, für die das Plakat steht.
    Nach außen mag es Sachbeschädigung sein, aber dahinter steht vorsätzliche Körperverletzung.
    Sehr traurig!

  • #8

    Sandra (Montag, 19 Mai 2014 21:05)

    Das heruntergerissene Plakat wurde offenbar unter Tags mit einem Plakat ohne Penis ersetzt. Scheinbar gibts eine Männlein/Weiblein Version davon, das wusste ich gar nicht.

  • #9

    Judy (Dienstag, 20 Mai 2014 00:16)

    Das Sujet besteht aus 2 beinahe identischen Bildern.
    Zu sehen auf http://www.lifeball.org/?p=8851&lang=de

    Der Text "Ich bin Adam. Ich bin Eva. Ich bin ich." ist jeweils unterschiedlich hervorgehoben.
    Am linken Bild (ohne Penis) ist "Ich bin Adam" hervorgehoben, am anderen (das die große Aufregung auslöst) "Ich bin Eva".

  • #10

    Sandra (Mittwoch, 21 Mai 2014 08:57)

    Haha, neueste Plakatsichtung: Strache am EU Wahlplakat mit Extrawurst über die Augen und Conchita Bart aufgemalt :o)
    Geht also auch in die andere Richtung, gottseidank!

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